Geschichte vom Zwerg der Hüneburg
Der Zwerg in der Hüneburg
Nahe bei Wimmelburg erhebt sich nach Südosten zu ein mit jungem Wald
bewachsener Berg namens Hüneburg. Wann und wie die Burg, die auf diesem
Berg gestanden haben soll, ihren Ursprung hatte, weiß man nicht. Von dieser
Burg aus grauer Vorzeit wird folgende Sage erzählt:
Die Hüneburg war einst eine Raubburg. Jeder, der an ihr vorüberzog, wurde
angehalten und ausgeplündert. Damit nun niemand ungesehen vorüber kommen
könnte, setzten die Ritter auf den Turm der Burg einen Wächter, der die umliegende
Gegend durchspähen und von allem Kunde geben musste. So kam denn auch
einmal ein pilgernder Bettelmönch an die Burg und bat um ein Nachtlager. Die
Burgleute aber wiesen ihn mit harten Worten ab. Da erging sich der Mönch in
Schmährufen über sie und tadelte laut ihr Treiben. Natürlich tat er das nicht
ungestraft: er wurde erschlagen. Ehe er aber sein Leben aushauchte, verfluchte
er die Burg, so dass sie bald in den Berg versank. Dem Wächter aber sagte er, er
sei es nicht wert, dass er auch mit zur Ruhe eingehe, weil er mehr Schuld an all
dem Unglück habe, als die anderen. Darum solle er auf der Erde umherirren, bis
er erlöst würde und erst dann solle er von dem Fluch befreit sein, wenn ein
unschuldiges, tugendhaftes Mädchen ihn unaufgefordert geküsst habe. Seit der
Zeit wurde der verwünschte Burgwart in der Gestalt eines Zwerges gesehen. Seine
Wohnung hatte er in der in den Berg versunkenen Burg. In der Hoffnung, den
ersehnten Erlösungskuss zu erwischen, mischte er sich unter alle heiteren
Gesellschaften, besonders gern Hochzeiten, wo er scherzte und die Gesellschaft
belustigte. So war er einst auch bei der Hochzeit eines Bergmanns zugegen. Als
nun einige Zeit darauf der Bergmann einmal von seiner alltäglichen Arbeit im
Schachte nicht zurückkehrte, geriet seine junge Frau in die äußerste Angst und
hielt ihren Mann für verloren. In der Not kam die Schwester ihres Mannes auf
den Gedanken, den Zwerg um Hilfe zu bitten. Sie ging deshalb zum Berg, rief
den Zwerg heraus und bat ihn um Hilfe. Derselbe hatte sich ihr immer freundlich
gezeigt und verweigerte auch jetzt seine Hilfe nicht. Mit Speisen versehen, stieg
er in den Schacht hinab. Er fand den Verunglückten auch und konnte ihn
befreien. Als nun beide wieder ans Tageslicht kamen, wurden sie von der Schwester
des Bergmanns, die voller Spannung oben gewartet hatte, freudig begrüßt. Aus
Dankbarkeit für die geleistete Hilfe fiel diese dem Zwerg um den Hals und küsste
ihn. Durch diesen freiwilligen Kuss war der Verwünschte von dem auf ihm
lastenden Fluch befreit und dankte hocherfreut seiner Befreierin, dass sie ihn
erlöst habe und er nun endlich zur Ruhe komme. Hierauf soll er sie in den Berg
geführt und ihr die Burg samt ihren Insassen gezeigt haben mit dem Bemerken,
so würde es allen ergehen, die das unehrliche Räuberhandwerk trieben. Nachdem
er sie noch mit Kostbarkeiten beschenkt und an die Oberwelt zurückgeführt
hatte, verschwand er und wurde nie wieder gesehen.
Quelle
Sagen des Mansfelder Landes
Herausgeber/Grafik & Layout:
2D-Grafik-Design/Lutz Döring
Herstellung: Halberstädter Druckhaus GmbH